Amelie / Chile

Entscheidungen fallen mir generell eher schwer. Doch schon mit zwölf Jahren verkündete ich, dass ich an dem Tag meines 18. Geburtstag mein zu Hause verlasse und in die große, weite Welt ziehe. Tatsächlich ist es dann auch so passiert und es war die beste Entscheidung meines bisherigen Lebens, die mein „zwölfjähriges Ich“ so stolz verkündete.

Wie unglaublich wichtig Chile für mich werden würde, hatte ich damals noch nicht geahnt. Das war mein Jahr in Chile mit allen Höhen und Tiefen und ich bin so froh sagen zu können, dass so alles eine wertvolle Erfahrung war. Und so bin ich dankbarer als je zuvor, dass ich das Jahr erleben durfte. Dankbar dafür, dass meine Kollegen teilweise echte Biester waren und noch viel dankbarer dafür, dass meine Gastfamilie der absolute Traum ist.

Das Schöne an meiner Gastfamilie war, dass sie mich wie ihre Tochter aufgenommen haben. Gleichzeitig konnte ich mich aber ganz neu entfalten und alte Streitigkeiten gab es nicht. Ich vermisse sie alle wahnsinnig. Wirklich. Sie sind meine Familie. Nicht meine zweite Familie, sondern einfach ein Teil von mir und meinem Leben und ich hoffe, dass ich sie bald wiedersehen kann. Es ist ein wahnsinnig wärmender Gedanke, dass man am anderen Ende der Welt Menschen hat, die einen wertschätzen und so bedingungslos in die Familie aufgenommen haben. Das fasziniert mich sehr, dass man innerhalb von einem Jahr zu einer Familie wird. Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich habe jetzt zwei zu Hause. Mit Menschen, die mich lieben und das ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl.

Eine große Bereicherung war auch die Arbeit mit geistig Behinderten. Für mich war es besonders schön zu sehen, dass die meisten von Ihnen in einer ganz eigenen Welt leben und sich überhaupt nicht verstellen. Das bedeutet auch, dass sie sehr extrem in ihren Gefühlen sind. Dafür sind sie aber meistens ehrlich und sagen auch mal, wenn sie jemanden sehr, sehr gern haben einfach so. Ohne Anlass. Einfach weil es so ist. Das ist so wunderbar und wärmt einem das Herz. Ich muss zugeben, dass auch ich leider Vorurteile gegenüber geistig Behinderten hatte. Deswegen bin ich einfach unglaublich froh, dass ich so einen guten Eindruck von der Situation bekommen konnte und vor allem meine Berührungsängste verloren habe. Ich denke ich bin dadurch einfach viel offener geworden und finde es noch einfacher auf Leute zuzugehen, denn meine Schüler haben mir auch gezeigt, dass man einfach Leute ansprechen kann.